Häufige Symptome, mögliche Krankheitsmanifestationen und Verlaufsformen

Da Morbus Gaucher eine Multisystemerkrankung ist, also viele verschiedene Bereiche des Körpers betreffen kann, äußert sie sich durch eine heterogene (uneinheitliche) Symptomatik. Die unterschiedlichen Manifestationen der Erkrankung können verschiedene Organe wie Milz, Leber, Herz, Lungen, Nieren, Haut, Knochen, Blutbild oder das Nervensystem betreffen, was die Diagnosestellung für Fachärzt:innen erschwert. Häufig wird M. Gaucher, selbst bei einem frühen Krankheitsbeginn in der Kindheit, erst im Erwachsenenalter erkannt.1,2–4

Häufige Symptome bei M. Gaucher

Folgende Symptome treten sehr häufig bei Betroffenen auf und können somit typische Anzeichen für eine M.-Gaucher-Erkrankung sein:1–3

Organomegalien

Organomegalien (Organvergrößerungen) äußern sich bei den Patient:innen meist durch Beschwerden im Oberbauch und können sich bereits ab Kleinkindalter ausprägen.

Thrombozytopenie

In etwa 60–90% der Krankheitsfälle erleiden Betroffene eine Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen).

Knochenmanifestationen

Ossäre (den Knochen betreffende) Auswirkungen der M.-Gaucher-Erkrankung treten bei etwa 75–90% der Patient:innen auf.3 

Die folgende interaktive Grafik zeigt Ihnen einige der häufigsten Symptome – 
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Hier finden Sie außerdem eine Symptom-Checkliste als kostenlose Download-Datei, mit der Sie das Auftreten der häufigsten Symptome einer M.-Gaucher-Erkrankung überprüfen können.

Frühe Gaucher-Symptome bei Kindern und Jugendlichen

Je nach Ausprägungsform von Morbus Gaucher kann sich die Erkrankung bereits im frühen Kindesalter bemerkbar machen. Dabei ist das Auftreten der Gaucher-Symptome bei Patient:innen, die jünger als 5 Jahre sind, mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für einen besonders schweren Verlauf assoziiert. In der frühen Kindheit kommt es häufig bereits zu Organomegalien (80%), bei denen die Milz um das 20-fache und die Leber um das doppelte im Vergleich zu den gesunden Organen vergrößert sein können. Außerdem leiden etwa 40% der betroffenen Kinder bereits an einer Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen). Weitere Krankheitsmanifestationen, die sich häufig bereits in jungen Jahren ausprägen, können folgende Organsysteme betreffen:1,3,5–7

Als erstes Krankheitssymptom entwickeln sich bei Kindern häufig Knochenprobleme durch die Infiltration (Unterwanderung) von Gaucher-Zellen in das Knochenmark. Die Knochenbeteiligung prägt sich bei etwa 75–90% der Patient:innen aus und macht sich meist durch Knochen- und Gelenkschmerzen, besonders im Beckenbereich und in den Beinen, bemerkbar.3

  • Wachstumsverzögerungen: · Bei unbehandeltem M. Gaucher erleiden 75% der betroffenen Kinder Wachstumsverzögerungen, was sich häufig durch eine unterdurchschnittliche Größe im Vergleich zu gesunden Kindern auszeichnet.6
  • Erlenmeyerkolben-Deformitäten: · Bei etwa 80% der Betroffenen kommt es zu sog. Erlenmeyerkolben-Deformitäten, wobei es sich um eine partielle Konstriktion (Verschmälerung) und/oder Verbreiterung des Oberschenkelknochens handelt.5
  • Knochenkrisen: · Bei etwa 30% der Kinder mit M. Gaucher Typ 1 kommt es zu extrem schmerzhaften Schüben, die als Knochenkrisen bezeichnet werden. Diese Knochenkrisen ziehen sich meist über 7–10 Tage und werden häufig durch Fieber begleitet. Zur Schmerzminderung sollte eine Schmerztherapie in Betracht gezogen werden.1

Die Lebensqualität der Patient:innen wird durch die auftretenden Knochenmanifestationen in Mitleidenschaft gezogen und es kommt häufig zu Behinderungen. Durch radiologische Befunde können die Knochenmanifestationen identifiziert und orthopädische Interventionen eingeleitet werden.

Neben Wachstumsverzögerungen treten bei etwa 60% der Patient:innen auch Verzögerungen in der Pubertät auf, was meist negative Auswirkungen auf die Psyche der betroffenen Jugendlichen hat.6

Auswirkungen von M. Gaucher auf das Blutbild der Patient:innen können durch eine Messung des Blutwertes identifiziert werden. Da die Gaucher-Zellen die Milz infiltrieren (unterwandern), werden hier verstärkt Blutzellen abgebaut. Gleichzeitig kommt es zur Störung der Hämatopoese (Blutbildung) im Knochenmark.

  • Anämie: · Eine Anämie (erniedrigte Anzahl roter Blutkörperchen) entsteht aufgrund eines erniedrigten Hämoglobinwertes und betrifft etwa 40% der jungen Patient:innen.6 Die Anämie kann sich durch Symptome wie Fatigue (Müdigkeit), Konzentrationsschwäche, Erschöpfung und/oder eine geringe Ausdauer bemerkbar machen, was auch die Psyche Betroffener in Mitleidenschaft zieht
  • Leukopenie: · Auch eine Leukopenie (erniedrigte Anzahl weißer Blutkörperchen) kann bei Patient:innen auftreten. Folgen einer Leukopenie umfassen ein geschwächtes Immunsystem und somit häufige Infekte und chronische Entzündungsreaktionen. Durch die möglichen Funktionsstörungen des Immunsystems kann es zu einem pathologischen (krankhaften) Zytokinmuster kommen. Zytokine sind Proteine, die eine wichtige Rolle bei Immunreaktionen und Entzündungsprozessen spielen. Durch das gestörte Zytokinmuster werden Entzündungsreaktionen zusätzlich gefördert.1,8

Wenn Gaucher-Zellen die Lunge infiltrieren (unterwandern), kann es zu einer interstitiellen Lungenerkrankung (Schädigung von Gewebetypen in der Lunge) kommen. Dies wirkt sich häufig nachhaltig auf die Lunge aus und führt beispielsweise zu einer Lungenfibrose. Bei einer Lungenfibrose wird funktionierendes Lungengewebe nach und nach durch funktionsloses Bindegewebe ersetzt. Eine Lungenbeteiligung entwickelt sich bei M. Gaucher relativ selten und bei nur sehr schweren Ausprägungen der Erkrankung.1

Späte Gaucher-Symptome bei Erwachsenen

Allgemein können die frühen Gaucher-Symptome je nach Krankheitsausprägung auch erst im Erwachsenenalter auftreten. Es gibt jedoch einige Auswirkungen von M. Gaucher, die sich vor allem mit zunehmendem Alter zeigen:1–3,9

Durch den Knochenbefall im Zuge von M. Gaucher kommt es bei etwa 64% der Typ-1-Krankheitsfälle zu Osteopenie (Verlust von Knochenmasse).6 Dies betrifft überwiegend Patient:innen im höheren Alter und ab der Menopause, kann aber bei schweren Fällen auch schon früher auftreten. In Folge der Osteopenie können schmerzhafte Knochendefekte, lytische Läsionen (fortschreitende Verletzungen) und/oder pathologische Frakturen (Knochenbrüche) entstehen.

Bei Patient:innen mit M. Gaucher Typ 1 besteht besonders mit zunehmendem Alter ein erhöhtes Risiko für Morbus Parkinson.

Durch M. Gaucher erhöht sich insbesondere im Erwachsenenalter das Risiko an bestimmten Tumorarten wie dem multiplen Myelom (Knochenmarkskrebs), Lymphomen (Tumore des lymphatischen Systems) oder Leberzellkarzinomen (Leberkrebs) zu erkranken.

Bei Erwachsenen mit M. Gaucher ist die Wahrscheinlichkeit für das Entstehen von Gallensteinen etwa um das 5-fache im Vergleich zu gesunden Menschen erhöht.1

M. Gaucher Typ I: Nicht neuronopathische Verlaufsform

Bei der nicht neuronopathischen Verlaufsform von M. Gaucher treten keine neuronalen (das Nervensystem betreffenden) Manifestationen der Erkrankung auf. Da hier im Vergleich zu den anderen Ausprägungsformen die höchste Enzymrestaktivität besteht, handelt es sich um die mildeste und gleichzeitig häufigste Verlaufsform. Von den M.-Gaucher-Patient:innen lassen sich > 90% dem Typ 1 zuordnen.1

Das klinische Erscheinungsbild der nicht-neuronopathischen Ausprägung ist sehr variabel, was sich in einem heterogenen (uneinheitlichen) Krankheitsbild zeigt: Manche Patient:innen sind ein Leben lang asymptomatisch (ohne Symptome), während andere bereits in der frühen Kindheit Symptome entwickeln. Die Diagnosestellung ist demnach in jedem Alter möglich, je nach Studie erfolgt sie im Median zwischen 10 und 20 Jahren oder in einem Alter von 28 Jahren.1,10 M. Gaucher Typ 1 kann sich durch viszerale (Eingeweide betreffende), hämatologische (Blut betreffende) und ossäre (Knochen betreffende) Auswirkungen äußern. Meist liegt eine Kombination verschiedener Symptome wie Organomegalien (Organvergrößerungen), Oberbauchschmerzen, hämatologische Veränderungen, Knochenschmerzen, Osteonekrose (Absterben von Knochengewebe), verschiedene Zytopenien (Verminderung von Blutzellen), Blutungsneigungen durch einen Mangel an Thrombozyten (Blutplättchen) und/oder Fatigue (Müdigkeit) vor.1–3

Unbehandelt verläuft M. Gaucher Typ 1 chronisch progredient (fortschreitend) und die Symptome können sich in schweren Fällen stark auf die Lebensqualität der Patient:innen auswirken. Meist ist diese Verlaufsform der Erkrankung aber nicht lebensgefährlich und gut behandelbar.

M. Gaucher Typ II: Akut neuronopathische Verlaufsform

Die akut neuronopathische Verlaufsform von M. Gaucher ist durch neurologische Manifestationen gekennzeichnet und ist die schwerste Ausprägungsform mit der niedrigsten Enzymrestaktivität. Sie tritt relativ selten auf und betrifft etwa 5% der Patient:innen.1

M. Gaucher Typ 2 ist charakterisiert durch eine sehr frühe und schwere Beteiligung des Nervensystems mit einem frühen Krankheitsbeginn. Die ersten Symptome entwickeln sich meist schon bei Neugeborenen oder Säuglingen im Alter von 3–6 Monaten. Während hier zwar keine Knochenmanifestationen auftreten, kann es jedoch zu schweren Organomegalien (Organvergrößerungen) und Dysfunktionen im Hirnstamm kommen. Die Säuglinge erleiden durch eine rasche Krankheitsprogression außerdem häufig Krampfanfälle und Rigor (Muskelstarre). Gegen die akut neuronopathische Verlaufsform gibt es bisher keine wirksame Therapie und der Tod tritt meist noch vor dem 3. Lebensjahr durch Atemstillstand ein.1–3

M. Gaucher Typ III: Chronisch neuronopathische Verlaufsform

Die chronisch neuronopathische Verlaufsform von M. Gaucher weist im Vergleich zu den restlichen Ausprägungsformen eine mittlere Enzymrestaktivität auf. Sie zeichnet sich durch neurologische Beteiligungen, einen späterer Krankheitsbeginn und geringeren Krankheitsfortschritt als bei Typ 2 aus. M. Gaucher Typ 3 betrifft ebenfalls etwa 5% der Patient:innen.1

Die chronisch neuronopathische Form äußert sich meist vor dem 20. Lebensjahr durch ausgeprägte Hepatosplenomegalien (Vergrößerung von Milz und Leber) und starken Knochenbefall. Die neurologischen Manifestationen umfassen Ophthalmoplegie (Lähmung der Augenmuskulatur) und progrediente (fortschreitende) Enzephalopathie. Dabei handelt es sich um Schädigungen verschiedener Gehirnfunktionen, die sich durch Symptome wie Apraxie (Störung zielgerichteter Bewegungen), Epilepsie, Ataxie (Störung der Bewegungskoordination), Spastiken oder Demenz äußeren können.1–3

Ähnlich wie bei M. Gaucher Typ 1, tritt beim Typ 3 ein recht heterogenes (variables) Krankheitsbild, besonders in Bezug auf die neurologischen Manifestationen, auf. Häufig erscheinen die neurologischen Symptome erst Jahre nach den viszeralen (Eingeweide betreffend), was dazu führen kann, dass eine zuvor als Typ 1 eingestufte Erkrankung später doch als Typ 3 diagnostiziert wird.1

1. Stirnemann J et al. International Journal of Molecular Sciences 2017;18(2): 441.
2. Nagral A. Journal of Clinical and Experimental Hepatology 2014;4(1): 37–50.
3. Burrow T et al. Pediatric Health, Medicine and Therapeutics 2011;2: 59–73.
4. Pastores G M et al. Seminars in Hematology 2004;41(5): 4–14.
5. Beck M et al. Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des M. Gaucher. Online unter: 
https://www.ggd-ev.de/wp-content/uploads/mgaucher-22-12-2007.pdf 
(zuletzt aufgerufen am 22.06.2023)
6. Kaplan P et al. European Journal of Pediatrics 2013;172(4): 447–458.
7. Carter A et al. The British Journal of Radiology 2012: 905–909.
8. Allen M J et al. QJM: An International Journal of Medicine 1997;90(1): 19–25.
9. Elstein D et al. The Lancet 2001: 324–327.
10. Arbeitsgemeinschaft für angeborene Stoffwechselstörung in der Inneren Medizin. Morbus Gaucher. 
Online unter: https://www.asim-med.de/patienteninformation/morbus-gaucher-6 (zuletzt aufgerufen: 22.06.2023)